Partys hier, Bolzplatz dort, im Garten liegen die Würst­chen beim Winter­gril­len mit Freun­den auf dem Rost und in der Kneipe zechen sich ein Dutzend Bekann­te durch den Abend. Immer wieder stößt die Polizei auf Gruppen, die gegen Corona-Regeln versto­ßen. Warum eigentlich?

KARLSRUHE/STUTTGART (dpa/lsw) — Bis zum entschei­den­den Treffer wollten die Karls­ru­her Polizis­ten nicht warten. Sie setzten der Fußball­par­tie auf dem Bolzplatz ein Ende. Sehr zum Ärger der zehn Kicker und sage und schrei­be 35 Zuschau­er auf Stühlen, Bänken und Stehplät­zen. Denn die ließen ihren Unmut so lautstark und handfest an den Beamten aus, dass die Polizis­ten Verstär­kung alarmier­ten. Kein Einzel­fall. Wenige Stunden später löste die Polizei am Boden­see eine Geburts­tags­fei­er mit fast drei Dutzend Menschen auf einem Reiter­hof auf. In Stuten­see (Kreis Karls­ru­he) feier­ten am selben Wochen­en­de 49 andere eine Famili­en­fei­er. Und in Zimmern ob Rottweil zählte die Polizei bei einem Gottes­dienst mehr als 100 Besucher, etliche davon ohne Maske.

Seit fast einem Jahr herrscht Corona-Alarm im ganzen Land, Millio­nen Menschen bleiben zuhau­se, arbei­ten auch von dort aus oder tragen Masken, wenn sie unter­wegs sind. Und dennoch scheint es, als nehme die Zahl der Feiern und Partys zu, als werde immer noch in Massen gegrillt und gekickt, als werde gewan­dert wie zuletzt in Mühlheim an der Donau oder in Kneipen getrun­ken wie vor wenigen Tagen in Mannheim.

In den offizi­el­len Statis­ti­ken schlägt sich das Gefühl nicht nieder: Zwar ist die Zahl der Corona-Verstö­ße am Wochen­en­de und im Vergleich zum gleichen Zeitraum der Vorwo­che um rund 1100 auf knapp 5300 gestie­gen. Genaue Angaben zum Einschrei­ten gegen Gruppen kann die Polizei aber nicht machen. «Wir sehen jedoch, dass die Zahl der Verfah­ren wegen Ordnungs­wid­rig­kei­ten deutlich zugenom­men hat», sagt Karls­ru­hes Polizei­spre­cher Rapha­el Fiedler. «Die Polizis­ten gehen zwar mit Finger­spit­zen­ge­fühl vor und ermah­nen oft nur. Aber die Verstö­ße gegen die Verord­nung werden trotz­dem dreis­ter, eklatan­ter und das Unrechts­be­wusst­sein ist nicht mehr so ausge­prägt wie noch vor zwei Wochen.» Die Regeln seien fast allen bekannt, daran liege es nicht. «Wir stoßen kaum auf Unwis­sen­de», sagt Fiedler. «Die meisten wissen schon, dass es nicht in Ordnung ist, was sie da machen.»

Nach Monaten im Lockdown sind die Menschen nicht nur nach Einschät­zung von Minis­ter­prä­si­dent Winfried Kretsch­mann (Grüne) «langsam kriegs­mü­de». Fiedler teilt die Erfah­rung: «Je länger es dauert, desto schwe­rer tun sich die Leute», sagt er. Da wird die Geduld auf eine harte Probe gestellt.»

Das Bedürf­nis vieler Menschen nehme zu, mit anderen zusam­men­zu­kom­men, sagt auch die Psycho­lo­gin Thordis Bethle­hem. «In unter­schied­li­chen Ausprä­gun­gen braucht der Mensch die Gruppe und den Austausch. Wir sind Rudel­tie­re und sozia­le Wesen.» Gruppen wie die auf dem Bolzplatz, bei der Feier oder in der Kneipe könnten sich zum Beispiel zusam­men­set­zen aus Menschen, die keinen Bezug zu Corona hätten, weil sich bislang keiner ihrer Freun­de und Bekann­ten infiziert habe. «Ihnen fehlt die Abschre­ckung», sagt die Landes­grup­pen­che­fin des Berufs­ver­bands Deutscher Psycho­lo­gin­nen und Psycho­lo­gen. «Oder das Bedürf­nis nach Begeg­nung und allem, was für sie dazuge­hört, ist stärker.» Ähnlich wie bei Autora­sern gingen viele womög­lich auch davon aus, dass sie nicht erwischt würden und sie sich nicht mit dem Virus ansteckten.

Kommt hinzu, dass die Polizei eigent­lich nur Wind von einer Party bekommt, wenn sie bei einer Kontrol­le durch Zufall darauf stößt oder wenn ein generv­ter Nachbar zum Telefon­hö­rer greift. «Wenn so ein Nachbar nicht anruft, dann kriegen vor von so einer Feier natür­lich auch nichts mit», sagt ein Mannhei­mer Polizei­spre­cher. Daher könne es zwar sein, dass es noch die eine oder andere Veran­stal­tung gebe, die nicht von der Polizei unter­bro­chen werde. «Aber eigent­lich ist das Ausmaß der Verstö­ße seit Beginn der Maßnah­men bei uns in der Region weitge­hend gleich geblieben.»

Das Innen­mi­nis­te­ri­um rechnet zudem nicht damit, dass sich das groß ändern wird, wenn von diesem Donners­tag an die Ausgangs­sper­re gelockert wird. Zum einen gelte trotz der angekün­dig­ten Änderun­gen weiter­hin zum Beispiel das Ansamm­lungs­ver­bot in seiner bishe­ri­gen Form, sagte ein Sprecher in Stutt­gart. Außer­dem halte sich die überwie­gen­de Mehrheit der Menschen nach wie vor an die Regeln. «Wir haben aktuell auch keine konkre­ten Hinwei­se, dass landes­weit größe­re Gruppen zusehen werden, wie andere einen Narren­baum aufstellen.»

Nächt­li­che Ausgangs­be­schrän­kun­gen gelten in Baden-Württem­berg von Donners­tag an nicht mehr landes­weit, sondern nur noch in regio­na­len Corona-Hotspots. Auch die Ausgangs­be­schrän­kun­gen am Tag werden aufge­ho­ben. Die Kontakt­be­schrän­kun­gen — Kern des Lockdowns — sollen dagegen über den 14. Febru­ar hinaus weiter gelten. Demnach darf sich ein Haushalt nur mit einer weite­ren Person treffen.